"Die Frau im öffentlichen Leben"
"Die Frau im öffentlichen Leben"
Lichtbildvorträge spielen im Wiener Volksbildungswesen ab dem Ende der 1880er Jahre eine wichtige Rolle und wurden von der Wiener Urania aufgrund ihrer großen Zugkraft beim Publikum bald systematisch eingesetzt. Zu den Autorinnen und Autoren der oft vielfach wiederholten, von professionellen Vortragenden gelesenen Präsentationen zählte auch Käthe Schirmacher. Einer ihrer Vorträge blieb gemeinsam mit den zugehörigen Lichtbildern im Österreichischen Volkshochschularchiv (http://archiv.vhs.at/vhsarchiv-home.html) erhalten.
Wir danken dem Archiv für die Möglichkeit, Text und Bilder hier präsentieren zu können.
Die Wiener Urania war um 1900 in vielfacher Hinsicht ein hybrider Ort: sie ermöglichte nicht nur einer breiteren Öffentlichkeit, oft auch von Universitätsprofessoren selbst, etwas über neueste Forschung zu erfahren, sie eröffnete auch wissenschaftlich gebildeten Frauen, die noch mehrere Jahrzehnte keine Lehrberechtigung an den Universitäten erhalten sollten, große Foren.
Käthe Schirmacher war zwischen 1901 und 1912 fünfmal mit Vorträgen in Wien zu Gast und hielt in der Wiener Urania auch persönlich Vorträge: 1903 sprach sie über „Die Frauenbewegung in Frankreich“ und 1907 über amerikanische Jugendgerichte. Wenn sie nach Wien kam, wohnte sie bei den beiden miteinander befreundeten Frauenrechtlerinnen Salka Goldmann und Yella Hertzka. Ihr erster Projektionsvortrag, den sie für die Urania verfasste, − „Paris und die Weltausstellung“ − gelangte aber im Jahr 1900 zur Aufführung, also ein Jahr, bevor Schirmacher selbst Wien auf einer ihrer Vortragsreisen besuchte. Sie scheint dieses neue Medium gezielt eingesetzt zu haben, um ihre Bekanntheit zu verbreiten.
Am 2. Oktober 1903 kündigten mehrere Wiener Zeitungen die Vorpremiere des neuen Projektionsstückes von Käthe Schirmacher unter dem Titel „Frauenarbeit“ in der Wiener Urania an. Es zeige, so das Neue Wiener Tagblatt, „die moderne Betätigung der Frau aller Kulturländer in der Öffentlichkeit und dürfte allgemein das lebhafteste Interesse erwecken.“ Angekündigt waren auch „lebende Bilder“, die sich allerdings leider nicht erhalten haben.
Die Titel der hier gezeigten Bilder geben die Beschriftungen der in unterschiedlichen Zusammenhängen verwendeten Glaspositive wieder. Sie wurden in den historischen Aufführungen nicht projiziert – wir dokumentieren sie, um die historischen Einordnungen und die Zuordnungen zum Vortragstext zu erleichtern.
Der Vortrag wurde nicht nur in der Presse besprochen – sowohl kritisch als auch euphorisch – sondern auch mehrfach (u.a. auch in Prag) wiederaufgeführt – zum letzten Mal Mitte Mai 1908, also vor ziemlich genau 110 Jahren. Dass mehrfach der Titel geändert wurde – Die Frauen im öffentlichen Leben, Die Frau im Kampfe ums Dasein (so ist er im Volkshochschularchiv archiviert) – deutet auch auf eine mehrfache Perspektive: Frauenberufstätigkeit, der große Anteil von Frauen an gesellschaftlicher Arbeit, ihr Beitrag zu den Künsten ist ebenso Thema wie die Geschichte der Forderung nach politischer Teilhabe von Frauen. Angeboten wurde aber – auch dies ist Teil des Konzeptes – ein Spektakel. Das wird etwa deutlich im Zusammenhang mit einer Aufführung eben dieses Projektionsstückes im Rahmen einer Wohltätigkeitsveranstaltung, bei der Hofschauspieler Arnold Korff den Text las, in der Folge die beliebte Burgschauspielerin Rosa Albach-Retty und andere das Lustspiel „Feuer in der Mädchenschule“ aufführten und schließlich das Quartett „Die zensurierte Schöpfung“ spielte.
Näheres zu den Projektionsvorträgen in der Wiener Urania finden sich in folgendem Text von Christian H. Stifter. Christian H. Stifter, Die Skioptikon-Lichtbildervorträge der Wiener Urania, in: Christian Brandstätter (Hg.), Die Welt von gestern in Farbe: Wien, Wien - München 2008, S. 220-221.